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Goodfellows Reportagen

Watson

Von Thymian Bennet Goodfellow
-- Südliches Afrika, April 20 --

Es war gar nicht so einfach, die passende Kleidung zu wählen. Ich kannte die Weltgegend nur von den Karten meines Vaters, die meines Wissens alle gefälscht waren. (Allerdings war mein alter Herr außerordentlich geschickt bei der Fälschungvon Karten.) Wetter und Klima allein theoretisch zu erschließen, führt für gewöhnlich in die Irre. Ich brauchte eine Informationsquelle meines Vertrauens. Schließlich folgte ich dem Rat einer weit gereisten Freundin und entschied mich für leichtes Leinen und dünne Seide. Fliegen und Westen ließ ich schweren Herzens zuhause. Die Reise ging zu einem bestimmten Ort im südlichen Afrika, wo ein vielversprechender junger Gelehrter auf gemeine Art ermordet worden war.

In den frühen Morgenstunden des 21. April d. J. fand die Wirtin einer kleinen Pension im Ortsteil Jonesville die Leiche eines ihrer Gäste in seinem Zimmer.

Der Tote saß aufrecht an seinem Schreibtisch, der Kopf war auf die Brust gesunken, in seinem Rücken steckte ein langes zweischneidiges Messer. Der Tote, Danilo Werter, war Autor gelehrter Werke über natürliche und kulturelle Gegebenheiten der Region. Er war seit vielen Monaten Gast im Hause der Mrs. Mahlangu. Die örtlichen Behörden halten den Mord für äußerst rätselhaft, da es offenbar weder um Geld oder Eifersucht. Auch ein Bandenkrieg oder Diamantenschmuggel schienen als Motiv nicht in Frage zu kommen.

Ich entschied, mich ebenfalls in der Pension von Mrs. Mahlangu einzumieten. „Macht es Ihnen etwas aus, in Mr. Danilos Zimmer zu wohnen?“, fragte die Wirtin vorsichtig, als ich ankam. Es machte mir nichts aus. Im Gegenteil. Ich habe immer an den genius loci geglaubt, und sei er noch so flüchtig. Vielleicht konnte mir das Zimmer des Toten etwas über ihn erzählen. Mrs. Mahlangu verstand mich sofort und betrachtete mich fortan als einen klugen Menschen (für einen Nicht-Afrikaner). Sie war eine stattliche Dame mit einem gütigen Gesicht, die dennoch alle Autorität ihres Berufsstandes ausstrahlte. Ihr dunkles Haar zeigte erste silbrig graue Streifen, was diesen Eindruck noch verstärkte, der andererseits durch ihr farbenfroh gemustertes Kleid gemildert wurde.

Die Pension ist ein einfaches einstöckiges Holzgebäude, wie sie in dieser Gegend typisch sind. Es liegt ein wenig abseits der Straße in einem eigenen großen Garten. Drei Flügel des Hauses gruppieren sich um einen geräumigen grünen Hof, dessen majestätischer Bewohner ein riesiger bunter Papagei ist, der sich gern mit den Gästen unterhält. Vom Hof aus erreicht man die einzelnen Zimmer. An der westlichen Seite liegen die Gesellschaftsräume, ein gemütlicher Salon mit alten Sofas und Sesseln und einem Klavier, daneben der Speisesaal, der in eine überdachte Veranda übergeht.

Mrs. Mahlangu sprach mit großer Wärme und Zuneigung von ihrem verstorbenen Gast und wischte sich mit einem Spitzentaschentuch eine Träne aus dem Auge. Mr. Danilo habe sich sehr für ihre Lebensgeschichte interessiert und sei immer höflich und gut gelaunt gewesen.

„Ganz im Gegenteil zu den anderen Figuren“, sagte sie grimmig.

Sie hielt einen Moment inne. „Ich glaube, er war etwas auf der Spur“, fügte sie nachdenklich hinzu. „Aber wirklich sicher sein konnte man bei ihm nie. Er hatte etwas von einem elinamandla, einem Schelm.“

„Welche anderen Figuren?“, wollte ich wissen. Mrs. Mahlangu stand von dem Tisch auf, an dem ich gerade mein erstes Frühstück beendet hatte und bedeutete mir mit einer Geste, ihr zu folgen. Gemeinsam traten wir auf die Veranda des Speisesaals, die von einem riesigen Brotfruchtbaum überwölbt wurde, und Mrs. Mahlangu zeigte auf zwei Lodges am anderen Ende des Gartens. „Sie unterhalten sich nicht mit anderen Gästen. Sie bleiben nur kurz beim Essen und reden dabei kein Wort.“ Sie wandte sich mir zu und sah mich an. „Können Sie sich so etwas vorstellen?“ Verständnislos schüttelte sie den Kopf über soviel unkultiviertes Betragen.

„Und wer sind die?“

„Die einen sind Botaniker.“ Mrs. Mahlangu zeigte auf die kleinere der beiden Lodges. „Die anderen sind Archäologinnen. Mr. Danilo machte sich immer lustig über sie. „Die armen Tropfe“, sagte er einmal. ‘Stechen mit einem Sieb in See‘ … was immer das heißt.“

„Er meinte wohl, sie jagen einen Schnark.“ Mrs. Mahlangu sah mich an, als müsse man sich Sorgen um meinen Verstand machen. „Sie kennen doch Alice im Wunderland von Lewis Carroll“, begann ich. Mrs. Mahlangu nickte. „Derselbe Mann hat auch die ‚Jagd nach dem Schnark’ geschrieben. Es ist ein Rätselstück über eine vergebliche Suche.“

„Aha.“ Mrs. Mahlangu war zufrieden. Sie verschwand in der Küche, um den Kaffee für die Brigade des Schweigens zuzubereiten. Die seltsamen Vier betraten gerade den Speisesaal und gingen schnurstracks zu ihren Tischen, ohne sich umzusehen. Sie aßen und tranken in Grabesstille und sahen nicht einmal einander an. Ich beschloss, mich zuerst den Botanikern aufzudrängen.

Ich stellte mich höflich vor, gab ihnen meine Karte und erklärte ihnen, dass ich ein sehr bekannter und wichtiger Reporter sei.

Die erste Reaktion, die ich empfing, war unverhohlener Argwohn. Ich hatte ja gedacht, mein klangvoller Vorname könnte das Eis brechen, aber ich wurde enttäuscht. „Thymian“, witzelte der eine abfällig und grinste dabei schief. Er trug eine dünnrandige silbergraue Brille, hatte kurzes eisgraues Haar, einen ebensolchen kurz getrimmtem Bart und einen stechenden Blick aus kalten blaugrauen Augen. Der andere war im Unterschied zu seinem hageren Kollegen dicklich und wirkte plump. Sein dunkles Haar war mit Pomade zurückgekämmt, das Menjoubärtchen gab ihm etwas Halbseidenes. Dazu passte der schwimmende Blick aus dunklen Augen. Er zog die Augenbrauen im selben Verhältnis herauf wie er die Mundwinkel herabzog. Ich musste innerlich lachen über diesen missglückten Versuch, gelangweilte Arroganz auszustrahlen.

Man sah auf den ersten Blick, dass die beiden Männer sich hassten.

Auf meine freundliche Frage, welche zweifellos hochinteressante Forschung sie in dieser schönen Gegend unternähmen, gönnten sie mir einen einzigen knappen Satz. „Wir untersuchen Lychenes an Baumstämmen und vergleichen sie taxonomisch.“ Sprachens und verschwanden.

Die Sonne stand inzwischen schon recht hoch am Himmel. Obwohl ich weit gereist bin, konnte ich mich auf der Südhalbkugel doch immer wieder über den Anblick begeistern, die Mittagssonne im Norden zu sehen mitsamt der anfänglichen Verwirrung, die einen jedes Mal in den ersten Tagen heimsucht. Eigentlich wollte ich sagen, dass es schon recht warm war. Ich würde einen Hut brauchen.

Während die Botaniker sich anschickten, mit leichtem Gerät das Haus zu verlassen, versuchte ich mein Glück bei den Archäologinnen. Auch sie waren gerade auf dem Sprung. , die sich gerade anschickten, die Pension zu verlassen. Die größere der beiden Frauen hatte kurzes aschblondes Haar und trug eine große Brille mit rosa Kunststoffrand über graugrünen blassen Augen. Ihren Gesichtsausdruck konnte man höflich als unbedarft bezeichnen, allerdings unterlegt mit einem Schuss Bosheit. In der rechten Hand schleppte sie einen schweren Metallkoffer.

Die andere trug ihr langes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie trug den Kopf in pastoraler Manier stets leicht zur Seite geneigt und strahlte alles aus, was man in meinen früheren Pfadfindertagen „Dutt mit Klampfe“ nannte. In ihrem langen weiten Rock – unbedingt ideal für das Arbeiten im dichten Busch und bei großer Hitze – versuchte sie ungeschickt, einen Metalldetektor zu verbergen.

Die größere der beiden wirkte wie das weibliche Pendant eines Gebrauchtwagenhändlers, der gern das große Wort führt. Und das tat sie auch jetzt, indem sie mich barsch aufforderte, sie nicht aufzuhalten. Man sei einer archäologischen Sensation auf der Spur, rief sie mir im Gehen zu. Die Inschriften, die sie gefunden hätten, zeigten, dass der letzte König einer untergangenen Dynastie … An dieser Stelle unterbrach Dutt mit Klampfe sie mit einem kräftigen Rippenstoß, wobei sie mir einen bösen Blick zuwarf – als sei ich verantwortlich für die Schwatzhaftigkeit der königssuchenden Gebrauchtwagenhändlerin. Dann beeilten sie sich, von mir wegzukommen. Mit all dem sperrigen Gepäck funktionierte das aber nicht so gut, wie sie es sich erhofften. Es war leicht, Ihnen zu folgen, so wie sie den Botanikern folgten. Glücklicherweise kann ich mich nach langer Übung unsichtbar machen, so dass hatten die Damen und Herren keine Chance, michzu entdecken. Sie folgten der Straße, die von weißen, rosa und hellblauen Holzhäusern mit Veranda gesäumt war, und bogen am Ende der Straße nach links in einen schmalen Weg ein, der direkt in den dichten Wald führte. Nach einer Weile blieben die Archäologinnen plötzlich stehen und flüsterten miteinander. Lautlos hangelte ich mich an einem Baum empor, nachdem ich meinen Klapphut in meiner kleinen Umhängetasche verstaut hatte. Ich entdeckte, wie die Botaniker mit gesenkten Köpfen gedankenvoll ein kleines viereckiges, bereits ausgeschaltes Loch betrachteten, das wie eine Probegrabung der Archäologinnen aussah. Die beiden Frauen wagten es nicht, sich weiter zu bewegen. Sie liefen sonst Gefahr, entdeckt zu werden. Sie wirkten ratlos und fauchten einander böse an. Es gehörte sicher nicht zu ihrem Plan, dass die Botaniker ihr kleines Geheimnis entdecken sollten.

Die Botaniker ihrerseits fluchten in Worten, die einen Seemann in Verlegenheit gebracht hätte. In ihren Gesichtern stand heißer Zorn.

Nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatten, begannen sie vorsichtig, die Erde neben dem Loch zu durchwühlen, die Köpfe gesenkt, die Knie gebeugt.

Vielleicht hatten sie nach dem Frühstück halluzinogene Drogen genommen und hielten das Loch für einen Baum und die Erde für Flechten. Das hatten sie natürlich nicht, aber es wäre eine schöne Geschichte, dachte ich und überlegte, dass Bilsenkraut eine solche Wirkung erzielen konnte. In Afrika ist es weit verbreitet.

Mit einem Mal fasste der Plumpe den Hageren am Arm, was der offensichtlich nicht leiden konnte, da er den Arm mit einer heftigen Bewegung zurückzog.

Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, aber er zischte ungehalten auf den anderen ein. Dann versteinerte sein Gesicht. Sekundenlang starrte er auf den kleinen Gegenstand, den der andere zwischen zwei Fingern hielt. Ein schmaler Streifen Sonnenlicht brach durch das dichte Blätterdach und ließ den kleinen Gegenstand in allen Farben des Regenbogens funkeln. Es war ein geschliffener Diamant.

Bis auf meinen Baum hinauf konnte ich die Archäologinnen schwer atmen hören. Ich wunderte mich nur, dass die Botaniker sie nicht hörten. Plötzlich zog die größere von den beiden ein Messer und schlich sich langsam an die Botaniker heran. Dutt mit Klampfe hielt sich sicherheitshalber hinter ihr.

Und da geschah es. In einem der überaus seltenen Momente vollkommener Ruhe im Wald war der Auslöser meiner Kamera meilenweit zu hören. Das Messer verschwand in der Tasche der Archäologin, der Stein in der Tasche des Botanikers. Sie standen da wie die Ölgötzen und starrten mich an. Plötzlich ging eine seltsame Veränderung in ihnen vor. Wie einem einzigen Willen gehorchend, schoben sie sich langsam mit mechanischen Bewegungen vorwärts wie eine durchprogrammierte Roboterarmee auf einem Feldzug. Ihre Absicht war eindeutig. Ich sollte dasselbe Schicksal erleiden wie der arme Danilo. Ich war längst davon überzeugt, dass diese Leute den Gelehrten ermordet hatten. Während die Viererbande beim Frühstück saß, war ich mit der diskreten Hilfe eines Stewards in die Lodges eingedrungen, um mich einmal in Ruhe umzusehen. Sie hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, Danilos gestohlenes Manuskript ordentlich zu verstecken, so sicher schienen sie sich zu fühlen. In ihren Aussagen hatten sie beteuert, von nichts zu wissen, nichts gesehen oder gehört zu haben, und sie würden auch nichts dazu sagen. Das sei eine lokale Angelegenheit, mit der sie nichts zu tun hätten. Ich nahm das Manuskript an mich. Sie würden es ohnehin nicht mehr brauchen.

Da meine Liebe zum genius loci ist nicht so groß ist, dass ich tatsächlich Danilos Schicksal teilen wollte, nahm ich meine beträchtlichen Kletterkünste zusammen, schwang mich weiter nach oben und erreichte einen starken überhängenden Ast des Nachbarbaumes. Von hier aus hatte ich leichtes Spiel, denn ein freundlicher kleiner Schimpanse wies mir den Weg durch die dicht belaubten Bäume. Für meine Verfolger auf dem Boden war ich unsichtbar, zudem sie durch zufällig herabfallende Früchte aller Art und Angriffe von Insektenschwärmen in ihrem Tun behindert wurden. So gelangte ich bis zum nächsten Hausdach, bedankte mich bei meinen Freunden und ließ mich glücklich gerettet auf die ebene Erde herunter. Meine Verfolger hatte ich abgeschüttelt.

Als ich in meine Pension zurückkehrte, erwarteten mich dort zwei freundliche junge Leute, die mir Mrs. Mahlangu als Thabisa Fourie und John Molefe vorstellte, wobei meine Wirtin John stolz als ihren Neffen vorstellte. Beide arbeiteten an der hiesigen kleinen Universität und hatten regen Kontakt zum verstorbenen Danilo Werter gepflegt. Mit einer Kanne Tee und einem Teller Kekse setzten wir uns in den Salon, den wir um diese Tageszeit ganz für uns allein hatten. Mrs. Mahlangu hatten ihnen schon alles über mich erzählt, so dass ich mir lange Erklärungen sparen konnte und gespannt den Erzählungen der beiden lauschte.

Die beiden hatten gemeinsam mit Danilo eine Finte ausgearbeitet, um räuberischen Botanikern und Archäologen, die im Interesse gewisser Investoren seit einiger Zeit die Region unsicher machten, das Handwerk zu legen. Die Botaniker waren hinter einer Pflanze namens Baphile her, die nur auf einem kleinen Areal hier in der Nähe gedieh. „Baphile ist Zulu und bedeutet Leben“, erklärte Thabisa, Botanikerin und Spezialistin für Heilpflanzen der traditionellen regionalen Medizin. „Man nennt sie so, weil sie besonders starke Heilkräfte bei vielen schlimmen Leiden hat.“ Thabisa grinste verschmitzt, was dem majestätischen Ausdruck ihres schmalen Gesichts keinen Abbruch tat. „Sie wollten sie mit Stumpf und Stiel mitnehmen, analysieren und dem meist Bietenden verkaufen. Das konnten wir doch nicht zulassen, nicht wahr?“ Sie warf John, dem sportlichen Neffen, einen aufmuternden Blick zu.

John war Archäologe. „Aber wir handhaben das hier ein bisschen anders“, beeilte er sich zu erklären. „Wir graben keine Toten aus. Wir lassen sie ruhen. Es gehört sich nicht, Gräber zu entweihen, und seien sie noch so alt und wertvoll.“ Er nahm einen Schluck des kräftigen schwarzen Tees, den seine Tante gebraut hatte und überraschte mich mit einer Frage.

„Ist es eigentlich bei Euch zuhause erlaubt, einfach Gräber zu öffnen?“ Ich musste ein wenig in meinem Gedächtnis kramen und zum Glück fiel mir ein, dass ich einmal mit einem makaberen Fall von Grabschändung zu tun hatte. „Nein, es ist auch bei uns verboten, Gräber zu öffnen,“ erklärte ich ihm. „Es ist sogar strafbar, und man kommt ins Gefängnis.“

„Na bitte!“ John schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und lachte. „Nur wenn die Gräber sehr alt sind, dann …“

„Öffnen sie sie und zerren die Gebeine heraus“, vollendete John meinen Satz. „Genau das haben diese Leute mit unserem Fürstengrab versucht. Von wegen Inschriften..“ John schüttelte den Kopf über so viel Einfalt. „Sie kamen mit Genehmigungen einer oberen Regierungsbehörde und erklärten uns, sie hätten die Anhaltspunkte dafür in luftgestützten Laseruntersuchungen gefunden.“

„Der tote Fürst mit all seinen vergrabenen reichen Schätzen ist genau so wertvoll wie unser Lebenskraut“, sagte Thabisa mit ernster Stimme. „Er liegt seit 1000 Jahren in einem Grab voller Gold und Edelsteine“, übernahm John. „Aber unsere Vorfahren beschlossen, das Grab zuzuschütten, und so soll es bleiben.“

Das schelmische Grinsen kehrte auf Thabisas Gesicht zurück. „Baphile, unser Lebenskraut, gedeiht nur über dem Grab. Wir glauben, dass auch sie 1000 Jahre alt ist. Denn sie ist sehr ausdauernd und aus ihrem Rhizom sprießen immer wieder neue Triebe.“

Ich schrieb und schrieb, magnetisiert von dieser unglaublichen Geschichte und von den beiden jungen Leuten, die sie mir erzählten. Ich muss einen komischen Anblick geboten haben, denn die beiden betrachteten mich mit freundlichem Spott, wie ich bemerkte, als ich wieder aufsah. Mrs. Mahlangu war zurückgekehrt und nahm an der allgemeinen Besichtigung des aufgeregt schreibenden Reporters teil.

Ein wichtiger Teil der Geschichte stand aber noch aus. „Und die Finte?“, fragte ich, gespannt, was nun kommen würde.

„Es war eigentlich ziemlich einfach“, erzählte Thabisa lachend. „Wir haben ein paar Exemplare einer äußerlich sehr ähnlichen Pflanze an eine bestimmte Stelle gesetzt …“

„Und dann ein paar glitzernde Steinchen in die Erde gelegt“, setzte John die Beschreinung der Finte fort.“

„Und dann haben Sie den Herrschaften ein paar Hinweise unter der Hand zukommen lassen, nehme ich an.“

Die beiden nickten gewichtig. „Das hat mein Cousin William übernommen“, bestätigte Thabisa meine Annahme. „Er ist übrigens Beamter der obersten Denkmalschutzbehörde und ist Ihnen und diesen Schätzchen zusammen mit zwei Polizisten in den Wald gefolgt. Wenn wir den Showdown nicht verpassen wollen, sollten wir aufbrechen.“

Watson

Als wir in den schmalen Weg einbogen, sprang wie aus dem Nichts ein Schimpanse auf Johns Schulter und erschreckte mich halb zu Tode. „Darf ich vorstellen?“, sagte John lachend. „Das ist Watson. Er ist mein Freund seit vielen Jahren.“ Watson schien auch mich begrüßen zu wollen. Ich bin zwar kein geübter Fachmann in Affenphysiologie, aber ich hielt es für möglich, dass ich Watson heute schon einmal begegnet war.

Ich erzählte den beiden mein morgendliches Erlebnis. „Ohne ihn hätte ich es niemals geschafft, dieser akademischen Mörderbande zu entkommen.“ Ich wechselte einen innigen Blick mit meinem Retter, der genau verstand, was ich ihm sagen wollte.

„Donnerwetter“, meinte John in echtem Erstaunen. „Was ist das nur für ein kluger Bursche.“ Es war mir nicht ganz klar, wen genau er damit meinte.

Nach wenigen Minuten erreichten wir den Schauplatz des Desasters.

Die Polizisten und der Cousin hielten die Viererbande mit einer Mischung aus behördlichem Ernst und lebendigem Amüsement in Schach. Seit Danilos Tod hatten sie sie im Auge behalten und an der langen Leine ihre vergeblichen Diebstahlversuche beobachtet, wurde mir berichtet. Heute war es so weit, sie auf frischer Tat zu stellen und damit zu überführen. Was den Mord anging, konnten sie den Verdacht nicht beweisen, den Mrs. Mahlangu geäußert hatte, nachdem sie vier beobachtet hatte, wie sie sich zu nachtschlafender Zeit im Hof herumdrückten, zwei vor Mr. Danilos Zimmer, zwei an den kleinen Seitenausgängen. Die Durchsuchung der Lodges hatte nichts zutage gebracht …

Wie in Trance öffnete ich meine Tasche und zog das Manuskript heraus, das ich am Morgen in einer der Lodges gefunden hatte. „Vielleicht hilft ihnen das“, schlug ich vorsichtig vor. Neun Augenpaare brannten mir Löcher in den Pelz. „Sie müssen es zuerst woanders versteckt haben.“ Ich übergab Danilos Eigentum zusammen mit einer kurzen Erklärung, während Thabisa und John versicherten, Danilo sei den „Gangstern“ auf die Schliche gekommen.

Die vier Gangster waren schrecklich zugerichtet. Sie hatten sich schwer geprügelt und wollten ihr Fehde selbst jetzt noch nicht beenden. Immer wieder gingen sie aufeinander los. Die beiden Polizisten hatten alle Hände voll zu tun, sie auseinanderzubringen. Die Flora war zertrampelt, das Loch zugeschüttet, der Boden aufgewühlt, das Gerät verstreut.

Eine Reporterpflicht hatte ich noch zu erfüllen. „Sie haben einen Menschen ermordet und wollten Schätze dieses Landes stehlen. Warum?“

„Stehlen, stehlen“, höhnte die Gebrauchtwagenhändlerin. „Was heißt denn hier stehlen?“ sekundierte der graue Botaniker. „Wie sind hier, um zu schützen“, prahlte Dutt mit Klampfe. „Man kann nur schützen, was man kennt“, kreischte schließlich das botanische Menjoubärtchen.

„Das heißt, Ihr müsst das ganze Land hier zerstören, um es zu schützen?

„Ja genau.“