cropped-k-MC-Kopie.png
Giftpflanze des Monats

Eisenhut

Von Martha Carli | September 2021

„Ja, und dann war da noch dieser fette alte Senator, den seine entzückende Gattin möglichst unauffällig loswerden wollte. Völlig zu Recht, wie ich finde…“

Der weise Efeu, Freund der Götter, Überbringer des Frühlings und der Liebe, unterbrach ihn. „Wir mischen uns in so etwas nicht ein, es steht Ihnen nicht zu, die Dinge zu beurteilen, Sie haben nur Ihre Arbeit zu machen, und zwar gewissenhaft und nach bestem Können.“

„Aber was wollen Sie denn tun, wenn Sie einmal am Operationsort sind, müssen Sie tun, was Sie tun müssen, Sie haben doch gar keine Wahl. Sie können doch gar nicht aufhören. Sie müssen es einfach zu Ende bringen.“

Bilsenkraut (Geduld – Eisenhut erscheint gleich) senkte den Kopf ein wenig nach diesem Verweis und raffte seinen Mantel zurecht. Seine Tischnachbarn rümpften die Nase und wandten sich ab. Er wusste selbst, wie unsinnig es war, Partei zu ergreifen, aber diese Dame… Er fuhr fort. „Livia also, so hieß die Dame, schickte nach mir, und ich nahm Unterschlupf in ihrem Garten …“

Am anderen Ende des Tisches ertönte ein Rascheln, dann ein Raunen. Schließlich donnerte jemand, daß die Luft im Raum erzitterte.

„Was fällt Ihnen ein? Wie kommen Sie dazu, zu behaupten, das seien Sie gewesen? Jeder weiß, daß dies mein Werk war. Sie schmücken sich mit fremden Federn, mein Herr. Ich verlange eine Erklärung!“

Ritter Eisenhut richtete sich zu voller Größe auf. Imponierend stand er da, die Rüstung blitzblau glänzend.

„Und?“, donnerte es wieder. „Was haben Sie dazu vorzubringen?“

Bilsenkraut hatte sich verschätzt. Er hatte nicht damit gerechnet, Eisenhut (obwohl heute sein anderer Name Sturmhut besser passte) hier zu treffen. Dabei hätte er es wissen müssen. Schließlich gehörte der Ritter zur High Society. Kleinlaut lenkte er ein. „Ich habe da wohl etwas verwechselt.“ Wie konnte er auch nur so dumm sein, sich ausgerechnet mit dieser Geschichte rühmen zu wollen? Alle wussten doch, dass Eisenhut in Rom eine ganz große Nummer war. Er war so erfolgreich, dass man schließlich sogar ein Aufenthaltsverbot über ihn verhängte. Danach ging er in den Untergrund, und sein Anbau war ein Kapitalverbrechen. Man munkelt, Kaiser Claudius und Papst Hadrian VI sollen Bekanntschaft mit Ritter Eisenhut gemacht haben. Er selbst hüllt sich dazu in Schweigen. Bei hochgestellten Persönlichkeiten ist Diskretion oberste Pflicht.

Auch in Griechenland durfte das einfache Volk ihn nicht halten. Der Henker schon … Ein Teil der Familie wählte das Exil. Die Mauren – wie viele andere auch – nutzten die inneren Werte des Eisenhuts als Pfeilgift im Kampf gegen die Spanier.

„Reden wir nicht mehr darüber.“ Ritter Eisenhut wäre nicht Ritter Eisenhut, wenn ihm seine Macht nicht erlaubte, großzügig zu sein.

„Sie wissen sicher noch, wie wir zusammen gearbeitet haben?“

„Damals bei Attalus, meinen Sie?“

Ja, alle Welt lobt ständig den guten weisen König Attalus III., der angeblich keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte, meine Güte! Der letzte König von Pergamon.“ Eisenhut schwang seinen prächtigen Mantel in angenehmer Erinnerung. „In Attalus’ Garten waren wir ein illustre Gesellschaft. Sie und ich, Nieswurz, Schierling und die vielen anderen.

Wissen Sie noch, wie oft er uns losgeschickt hat? Zu den Freunden seiner Vorgänger, zu allen, die ihm in die Quere kam – oder von denen er dachte, sie könnten ihm vielleicht einmal in die Quere kommen. Ob er paranoide war?“

„Na ja, wir mussten ja sogar seine eigenen Freunde besuchen“, erinnerte sich jetzt auch Bilsenkraut. „Und wie raffiniert er war, dass er uns unter all den feinen Salaten versteckte …“ Bilsenkraut seufzte wohlig. „Das waren noch Zeiten.“ (LINK Bilsenkraut)

Das kriminalbotanische Konzil dauert an. Man findet, dass die allgemeine Verwahrlosung auf allen Ebenen ein erschreckendes Ausmaß angenommen hat. Insbesondere ist die Kunst des kultivierten Mordens mit Pflanzengiften gegenüber brutalen und ausgesprochen dummen Methoden ins Hintertreffen geraten. Dem will man entgegentreten. Es wurde uns freundlicherweise erlaubt, an dieser Stelle einige der Konzilsteilnehmer vorzustellen und Ausschnitte ihrer Auftritte wiederzugeben.

Heimisch in den Gebirgsgegenden der nördlichen Halbkugel, schmückt der Eisenhut zahllose Gärten. Die wenigsten kennen sein inneres Wesen oder gar seine Vergangenheit. Für sie ist er einfach nur schön.

Der Blaue Eisenhut wächst auf feuchten Weiden, Hochstaudenfluren und in höheren Berglagen. In den Alpen findet man die Pflanze bis zu einer Höhe von 2500 Meter. Er bevorzugt nährstoffreiche Böden und hat sein Verbreitungsgebiet in Mittel- und Westeuropa. Man findet ihn in den Pyrenäen und auch noch in Südskandinavien.

Heimisch in den Gebirgsgegenden der nördlichen Halbkugel, schmückt der Eisenhut zahllose Gärten. Die wenigsten kennen sein inneres Wesen oder gar seine Vergangenheit. Für sie ist er einfach nur schön. Wohl gelitten auch im Kreis der Zierpflanzen, reckt der Eisenhut sich blau und glänzend in die Höhe, und es kommt einem manchmal so vor, als wollte er der Bühnenverkleinerung entgegenstrotzen, die seiner großen Zeit als viel beschäftigter Mörder folgte.

Doch seine Vergangenheit hat er nicht vergessen. Auf die Beinamen Leopardentöter, Wolfstöter und Untiertöter ist er stolz. „Derselbigen gebraucht man zum Wolfsfang, denn wenn man die Wurzeln in das rohe Fleisch steckt und die Wölfe das Fleisch mit den Wurzeln fressen, pflegen sie davon zu sterben“, erklärt der griechische Arzt und Pflanzengelehrte Dioscurides. ‘Frauentöter’ hört der Eisenhut nicht gern. Ein wenig peinlich ist ihm auch, dass er aus dem Geifer des des Höllenhundes Cerberus stammen soll. „Ich halte das für üble Nachrede!“ erklärte er einmal. „Das haben sich sich die Figuren ausgedacht, die Medea und Hekate umgebracht haben. Bei diesen weisen Frauen stand ich in hohem Ansehen. Hekate erkannte als erste mein innerstes Wesen. Hekate, Göttin der guten Hexenkunst, wie Circe auf der Insel Kolchis lebend.“

Ein gewaltig tödlich gift ... mit keiner artzney zu vertreiben ...

„Ihre Lippen und Zungen schwellen an, ihre Augen hängen heraus und ihre Schenkel sind steif und sie verlieren den Verstand“, schreibt John Gerard in seinem „Herball“. Nach wenigen Minuten bis zu einer halben Stunde setzt die Wirkung des Giftes ein. Es kribbelt um den Mund, im Rachen, später im ganzen Gesicht. Dann breitet es sich über den ganzen Körper aus.

Die Hände fühlen sich pelzig an.

Dann kommen Schüttelfrost und Schweißausbrüche, Erbrechen, Ermattungserscheinungen und Angstgefühle, tödliche Eiseskälte des ganzen Körpers, als flösse Eiswasser statt Blut in den Adern, völlige Gefühllosigkeit. Entsetzliche Schmerzen im Kopf, Hals, Rücken und in der Herzgegend. Schwächung des Denkvermögens bis zur völligen Unfähigkeit, einen Gedanken zu fassen. Das Gesicht wird grau und verfallen. Nach einer halben Stunde bis zu drei Stunden tritt der Tod bei vollem Bewußtsein durch Atemstockung und Herzschädigung ein – das Aconitin reduziert die Ionenselektivität der Natrium-Kanäle. Dadurch nimmt die Aufnahme von Natrium und anderen Ionen durch diese Kanäle zu.

Das Gift – das Alkaloid Aconitin – ist überall in der Pflanze, besonders aber in den Knollen. Aconitin ist eines der starken Pflanzengifte, der Eisenhut ist die giftigste Pflanze Europas. Die tödliche Dosis beträgt drei bis acht Milligramm oder zwei bis vier Gramm der Wurzel.

Vorsichtig dosiert ...

Die Dosis macht das Gift. Die berühmteste der Weisheiten des Paracelsus gilt beim stark giftigen Eisenhut ganz besonders. Wird er vorsichtig dosiert, ist er ein potentes Schmerzmittel bei Neuralgien, schmerzhaften chronischen Gelenkerkrankungen, Herzbeutelentzündung und Rippenfellerkrankungen. Auch beim Beginn fieberhafter Erkältungen wird er gelegentlich eingesetzt. Man verwendet stets reine Aconitin, da die Dosierung mit Pulver, Tinktur oder Salbe zu unsicher ist.

In der Homöopathie findet der Eisenhut Anwendung bei Bronchitis, Ischias und ebenfalls bei Herzbeutelentzündungen.

Louis Lewin, Die Gifte in der Weltgeschichte, Köln 2000

Dioskurides, De Materia Medica

Pietro Andrea Mattioli
„Commentarii in sex libros Pedacii Dioscoridis“

Deutsche Übersetzung: New Kreüterbuch || Mit den allerschönsten und artlich-||sten Figuren aller Gewechß / dergleichen vor-||mals in keiner sprach nie an tag kommen., übers. von Georg Handsch, Prag 1563

Hieronymus Bock
New Kreütter Bůch von underscheydt, würckung und namen der kreütter so in Teütschen landen wachsen. Auch der selbigen eygentlichem und wolgegründetem gebrauch in der Artznei, zů behalten und zů fürdern leibs gesuntheyt fast nutz und tröstlichen, vorab gemeynem verstand.

Roth Daunderer Kormann, Giftpflanzen – Pflanzengifte, Hamburg 2012 (neueste Auflage)

John Mann, Mord, Magie und Medizin – Aus dem Giftschrank der Natur, Stuttgart 1995

Der Blaue Eisenhut hat dunkelblaue Blüten, die in einer dichten, endständigen Traube sitzen. Das obere Blütenblatt gleicht einem Helm und ist breiter als hoch, die Laubblätter sind handförmig. Die Pflanze wird 50 bis 150 Zentimeter hoch und blüht von Juni bis September.

“Der Schwanz der Wurzel krümmt sich ein wenig in der Art der Skorpione, weshalb einige sie auch „Skorpion“ genannt haben. Auch nicht an solchen fehlte es, die sie lieber „Mäusetod“ (myoktónos), weil sie bereits weit aus der Ferne die Mäuse durch ihren Geruch tötet. Sie wächst auf nackten Riffen, die man „Wetzsteine“ (akonai) nennt, und deshalb nannten einige sie akóniton, weil sie nichts, nicht einmal Staub, als nährenden Boden um sich hat”

Plinius, NH 27, 4 ff. 9